KRITIK ERWÜNSCHT

akzent-Kolumne für November 2025
 
KRITIK ERWÜNSCHT
 
Schau dich um in den gläsernen Palästen unserer Büros. Ein Meer aus lächelnden Avataren in Endlos-Meetings, ein Ozean aus Likes für leere Phrasen. Wir sind Meister der Inszenierung, Architekten einer Fassade aus Zustimmung. Doch bei all dem Applaus haben wir etwas geopfert: die Wahrheit, die uns wachsen lässt.
 
Das Schlüsselwort ist Kritikfähigkeit. Ein kompliziertes Wort für eine einfache Sache: die Bereitschaft, ehrliches Feedback anzunehmen. Wir verwechseln Kritik mit Angriff und Feedback mit Kränkung. Wir wollen besser werden, aber weigern uns, die nötige Medizin zu schlucken.
Denk an die Projektleiterin, die den Fehler ihres Chefs sieht, aber aus Angst schweigt. Oder den Entwickler, der dem neuen Kollegen ausweichend sagt, seine Arbeit sei "ganz gut", statt ihm die Fehler aufzuzeigen. Beide opfern die Exzellenz auf dem Altar der Nettigkeit.
Wie wirst du selbst kritikfähiger? Der Unterschied liegt nicht im dicken Fell. Er liegt darin, deine Arbeit nicht mehr mit deinem Ich zu verwechseln. Deine Idee ist nicht deine Identität. Dein Projekt ist nicht deine Persönlichkeit. Kritik an deiner Arbeit ist kein Angriff auf deinen Wert. Nur wer seine Arbeit für einen Moment nicht mag, kann sie wirklich verbessern.
Ein Unternehmen ohne diese Trennung ist wie ein Arzt, der aus Höflichkeit auf eine Diagnose verzichtet: Der Patient fühlt sich wohl, während die Krankheit unbemerkt fortschreitet.
Hör auf, die Bequemen zu suchen. Umgib dich mit Menschen, die den Mut zur Wahrheit haben. Am Ende bringen uns nicht glatte Anzüge voran, sondern starke Rückgrate. Entscheide dich: Blender oder Original?
 
In diesem Sinne: Sei heilsam unbequem!
 
Eure Stefanie 

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